Wirtschaftswurm-Blog

Deflation: Eine neue Sau wird durch’s Dorf getrieben

Deutsche Inflationsrate 1994-2013 Ausschnitt

Ich lästere ja ab und zu über das fehlende Wirtschaftsverständnis der Deutschen. Das zeigt sich z.B., wenn viele glauben, ein Leistungsbilanzüberschuss wäre etwas Gutes. Doch es gibt auch Fälle, in denen der gesunden Menschenverstand richtiger liegt als die Expertenmeinung von Ökonomen. David Böcking von Spiegel Online wurde das zum Verhängnis und er schrieb einen Artikel, den SPON unter der selten dämlichen Überschrift „Deutsche ignorieren Gefahr fallender Preise“ veröffentlichte.

„Deutsche ignorieren Gefahr fallender Preise“, das hört sich so an, als ob man sich beim nächsten Supermarkteinkauf mehr in Acht nehmen müsste. Womöglich fällt einem so ein fallender Preis gleich auf den Kopf?

Wenn wir aber die mikroökonomische Ebene des Supermarkts verlassen und zur gesamtwirtschaftlichen Makroebene übergehen, bleibt nicht viel von der Deflationsgefahr. Die aktuelle deutsche Inflationsrate ist keineswegs außergewöhnlich niedrig. Sie lag 2013 bei 1,5% und im Januar 2014 auf Jahressicht bei 1,3%. Das ist nur ganz leicht unter dem Durchschnitt der letzten 20 Jahre, der bei 1,6% liegt.

Deutsche Inflationsraten 1994-2013

Deutsche Inflationsraten 1994-2013

Die Zahlen geben überhaupt gar nichts her, was auf eine Deflation hindeuten könnte.

Die Konjunkturprognosen für 2014 und 2015 sind zudem optimistisch. Die Wirtschaft wächst und die Nachfrage steigt. Zurückgehende Preise bei steigender Nachfrage, das ist zumindest sehr unwahrscheinlich.

Und selbst wenn die Preise tatsächlich fallen würden, wäre das noch lange keine Katastrophe. Weitgehend vergessen ist z.B., dass sich die BRD 1986 in einer Deflation befand. Zurecht vergessen, denn es passierte sonst nichts. Die Preise fielen um 1%. und die Wirtschaft wuchs sowohl 1986 als auch 1987.

Kritisch wird die Situation erst in der sogenannten Deflationsspirale. Die Deflationsspirale setzt ein, wenn die Verbraucher mit weiter fallenden Preisen rechnen und darum Konsumentscheidungen aufschieben. Je länger man mit dem Kauf z.B. eines Autos wartet, desto billiger wird es, so die Hoffnung in einer Deflationsspirale. Denken viele so, bricht die Binnennachfrage ein und die Wirtschaft gerät in eine Rezession bzw. kommt aus ihr nicht mehr heraus.

Eine echte Deflationsspirale ist allerdings überaus selten. Häufig wird Japan als ein Beispiel genannt. Tatsächlich hatte Japan seit den 90er Jahren mehrmals Deflation. Die japanische Wirtschaftsstatistik verzeichnet zwölf Jahre mit negativen Inflationsraten. Die Raten war aber immer gering. Und die Daten legen zudem nahe, dass die Deflationsphasen eher durch Rezessionen verursacht wurde als umgekehrt, die Rezessionsphasen durch Deflation.


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20 Kommentare

  1. Hi! Ist es nicht wichtig auf den Euro-Währungsraum insgesamt zu schauen? Schliesslich war die positive Abweichung der Inflationsraten in der Peripherie einer der Vorboten der auseinanderlaufenden Kennziffern innerhalb der Eurozone. Wenn 2% Ziel ist und D als grösster wirtschaftlicher Anteil darunter liegt – wer gleicht das dann aus? Dabei sehen wir in der Peripherie ausgeprägte Deflationsfaktoren, vor allem auch sinkende Erzeugerpreisindizes, als recht zuverlässiger Frühindikator.
    Und falls meine Skepsis nicht schon durchscheint: Wie fest ist der Sand, auf dem die o.g. Prognosen gebaut sind? Gefühlt hat der GfK-Konsumklima-Index sich in den vergangenen 3 Jahren von der Realität fast ununterbrochen positiv abgehoben – eine Überraschung wäre eine negative Entwicklung der realen Einzelhandelsumsätze 2014 in D für mich jedenfalls nicht…

  2. Der Durchschnitt im Euroraum liegt etwas niedriger als der deutsche. Von Deflation ist da auch keine Spur. Deflation haben wir aber in Griechenland. Das ist das Los nicht wettbewerbsfähiger Regionen in einer großen Währungsunion. Da gibt es nur die Alternativen, die Preise zu senken (=Deflation) oder Austritt aus der Währungsunion.

  3. Andreas sagt

    Du mach es Dir hier ein bisschen zu einfach, Arne. Die Strategie der internen Abwertung – die man in einem Land mit verschwindend kleinem Exportsektor ohnehin in Frage stellen könnte, aber egal – funktioniert nur dann, wenn die Reallöhne fallen. Fallen (im Exportsektor) die Preise schneller als die Löhne, und das ist aufgrund im Regelfall langfristiger Lohnvereinbarungen und aus verschiedenen anderen Gründen regelmäßig der Fall, dann führt Deflation zu steigenden Reallöhnen und das Gegenteil des eigentlich gewollten wird erreicht. Griechenland bräuchte ein wenig Inflation, um interne Abwertung zu erleichtern. Problematischer sind allerdings noch zwei andere Dinge: Erstens steigt mit Deflation der Realwert der Verschuldung. Zweitens steigt der Realzins. Beides führt dazu, dass Investitionen in Griechenland noch weiter gehemmt werden als ohnehin schon. Auch ohne eine Deflationsspirale sind fallende Preise daher das letzte, was die Euro-Krisenstaaten brauchen.

    In einem hast Du allerdings recht: Natürlich verursachen im ersten Schritt Rezessionen Deflationen. Das wird wohl auch niemand bestreiten, denn wo soll Deflation sonst herkommen, schließt man eine Verknappung der Geldmenge mal aus den Überlegungen aus. Rezessionen verursachen aber nicht zwingend Deflation, sondern nur dann, wenn geldpolitisch nicht gegengesteuert wird. Auch das ist trivial. Steuert man nicht gegen, schließt sich allerdings der Kreis und die Deflation nährt die Rezession oder -wie im Falle Japans – Stagnation.

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  5. @Andreas,
    die Deflationsstrategie stammt ja nicht von mir und ich verteidige sie auch nicht. Wie jeder hier weiß, bin ich stattdessen für einen Austritt Griechenlands aus dem Euro. Die Politik hat aber nun einmal Austerität und Deflation als Mittel gewählt, um die Randstaaten wieder wettbewerbsfähig zu machen, da kann man sich jetzt nicht über Deflation beklagen. Es ist genau das, was gewollt ist.
    Außerdem glaube ich, dass du einen Denkfehler machst. Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit ist nicht die Kaufkraft der Löhne (Reallöhne), sondern die Entwicklung der Lohnstückkosten.

  6. Hallo Hr. Kuster, mich würde ihr Vorschlag interessieren, wie wir in Österreich die weiterhin abnehmende Nachfrage durch die bis 2020 vorgesehene Sparpolitik kompensieren könn(t)en. Wenn in AT ab 2017 sogar die absolute Staatsverschuldung reduziert werden soll, müsste der Staat mehr einnehmen als ausgeben. Diese Einnahmeüberschüsse zum Zweck der Tilgung entziehen dem Wirtschaftskreislauf in der Höhe Geldmittel (exkl. Zins), um die die Bankbilanzen (Gläubigerbanken) sich verkürzen. Freilich können wir Österreicher auch kein Leistungsbilanzdefizit entstehen lassen, um anderen europäischen Staaten einen Überschuss (womit diese ihren Staatshaushalt konsolidieren könnten) ermöglichen. Wenn in der Eurozone generell gespart wird, dann müssten beispielsweise US, China, etc. ihren Überschuss verringern/Defizit erhöhen? Oder vermuten sie ein „Crowding in“ durch die Privaten, weil der Kreditzins aktuell so günstig ist, trotz sinkender staatlicher (europäischer) Nachfrage(n)?

  7. Auf Deutschland bezogen absolut kein Widerspruch. Wie sieht es aber in den Krisenstaaten der Euro-Zone aus? Sozialabbau, Lohnsenkungen und der Verfall am Immobilienmarkt sollten doch eigentlich ordentlich auf die Preise drücken. Kann es hier nicht passieren, dass größere Investitionen in der Hoffnung auf weiter fallende Preise in die Zukunft verschoben werden? Könnte dies nicht entsprechend dann ein Auslösen einer Deflationsspirale sein.

  8. Andreas sagt

    @Wirtschaftswurm
    Deine Aussage: „Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit ist nicht die Kaufkraft der Löhne (Reallöhne), sondern die Entwicklung der Lohnstückkosten.“

    Der Denkfehler liegt bei Dir bzw. liegt eine Fehlinterpretation deinerseits vor. Natürlich sind die (realen) Lohnstückkosten entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit. Und wie berechnen sich diese? Sie sind der Quotient aus den nominalen Lohnkosten und dem nominalen BIP. Das nominale BIP ist aber das Produkt aus dem realen BIP und dem (bzw. einem gewählten) Preisindex. Daher: Reale Lohnstückkosten = Lohnkosten / BIP(real) x p. Und das heißt: Wenn die Preise schneller fallen als die Lohnkosten, dann steigen die c.p. die Lohnstückkosten. Genau das ist bspw. in Japan geschehen, das seinerzeit trotz ausgesprochener Lohnzurückhaltung steigende Lohnstückkosten aufwies.

  9. @Andreas

    Für die Wettbewerbsfähigkeit (in einem System der festen Wechselkurse ) sind nicht die realen sondern die nominalen Lohnstückkosten maßgebend. Die Käufer interessieren sich schließlich für die nominalen Preise und nicht für das Verhältnis Lohnkosten/Preis in einem Unternehmen.

    @Wirtschaftswurm

    Eine Alternative hast Du aber (mal wieder) unterschlagen – höhere Inflation in Deutschland, die es den südlichen Ländern ermöglichen würde ohne Deflation (und die damit verbundenen Probleme insbesondere im Bezug auf die Schuldenlast ) wettbewerbsfähiger zu werden. Mit anderen Worten die durchschnittliche (Lohn?)Inflation in Euroraum ist im Moment viel zu niedrig und sollte, wie das das Ziel der EZB auch vorsieht bei 2% liegen, im Süden bei ca 1% und in Deutschland bei ca 3%.

  10. Häschen sagt

    Mich stört es nicht, wenn die Güter billiger werden. Aber die Gefahr sehe ich nicht.

  11. @CGB, das hat jetzt nicht so richtig etwas mit dem Thema zu tun, oder?
    @mister-ede, in Griechenland kann eine Deflationsspirale ausgelöst werden, aber wohl eher eingeschränkt, z.B. bei Immobilien. Da Griechenland ja Bestandteil des Binnenmarktes ist, kann sich das Preisniveau nicht vollkommen vom Durchschnitt abkoppeln.
    @Andreas,
    wie Alex schon richtig gesagt hat, sind die nominalen Lohnstückkosten entscheidend. Wie viel sich die Arbeitnehmer vom Lohn kaufen können, kann einem Arbeitgeber genauso egal sein, wie, was sie sich vom Lohn kaufen.
    @Alex Hummel,
    ich habe das sehr wohl im Hinterkopf. Dann aber mal weg mit der verlogenen Deflationsdebatte und offen die Karten auf den Tisch: Deutschland soll über 3% Inflation bekommen, weil das den Südländern (etwas) hilft. Eine solche Politik nimmt dann aber auch Spekulationsblasen in Kauf und eine neue Krise, wenn die platzen.

  12. Sinkt die die Nettokreditaufnahme gesamtsektoral, dann jedenfalls.

  13. Andreas sagt

    @ Wirtschaftswurm

    Ja, Alex hat völlig recht. Ein ziemlich dämlicher Fehler meinerseits, wir ich zerknirscht eingestehen muss. Du hast allerdings erneut unrecht bzw. Alex nicht verstanden. Er hat recht damit, dass es den NACHFRAGERN von Produkten einerlei sein kann, wie das Lohn-/Preisverhältnis in einzelnen Unternehmen aussieht, sie interessiert nur der Preis bzw., genauer, der Relativpreis betreffender Produkte. Dem anbietenden Unternehmen selbst ist das Lohn-/Preisverhältnis im eigenen Unternehmen aber alles andere als egal. Wenn sie sinkende Preise nicht auf vollständig auf die Löhne abwälzen können, steigen offensichtlich die Produktionskosten und, alles andere gleich, sinkt ihre Angebotsbereitschaft. Die Kaufkraft der Löhne ist einzelwirtschaftlich natürlich gleichgültig, aber darum geht es hier nicht.

    Allerdings war mein Argument die Löhne betreffend – nicht die Realverschuldung – trotzdem Müll. Denn in den Krisenstaaten sind jedenfalls bislang die Löhne schneller gefallen als die Preise.

    Eine zweite Sache noch: Deutschland „soll“ nicht 3% Inflation bekommen, es „müsste“ dem Ziel der EZB nach unter Umständen 3% Inflation hinnehmen, wenn anderswo die Preise fallen. Das Mandat der EZB ist Dir doch andernorts heilig. Warum hier nicht?

  14. @Andreas, „Dem anbietenden Unternehmen selbst ist das Lohn-/Preisverhältnis im eigenen Unternehmen aber alles andere als egal.“ – Das ist klar und ich habe – glaube ich – nirgendwo etwas anderes behauptet. Wettbewerbsfähigkeit lässt sich eben, so zynisch das ist, auch dadurch herstellen, dass die nicht-wettbewerbsfähigen Unternehmen aufgeben und nur die wettbewerbsfähigen übrig bleiben. Und noch einmal: Die Austeritäts- und Deflationspolitik ist nicht die von mir favorisierte Politik.

  15. Harry sagt

    Sind die Ergebnisse für D und Gr nicht ähnlich während die Methoden andere sind:

    In der Diskussion wird irgendwie nicht berücksichtigt, daß das verfügbare Einkommen eigentlich entscheidend ist. Solange man mittels Steuern, Abgaben, …. das verfügbare Einkommen reduzieren kann, spielt die norminalen Lohnstückkosten nur eine geringe Rolle. Mittels hoher nominaler Löhne kann ich den Export reduzieren und mittels Abgaben trotzdem den verfügbaren Nettolohn und die Nachfrage reduzieren.

    Letztendlich ist die Methode abhängig von den jeweiligen Rahmenbedingungen: Verfügbarer Nettolohn, Stückkosten, Exportquote und Art der Importe (Lebensmittel, Energie, Waren, ….), Verschuldung (und wer), usw.

    Deflation kann sowohl über die Nachfrage als über die Produktion entsteht. Wenn eine Gesellschaft zB durch Überalterung weniger nachfragt, dann kann zwar der Export florieren aber die Waren real billiger werden. Oder man reduziert die Nachfrage durch eine größere Anzahl Niedriglöhner. Aus meiner Sicht kann eine Deflation dadurch entstehen, daß entweder die verfügbaren Nettolöhne niedriger werden oder Anlagen vom Wert verfallen.
    Beispiel ist zB Hauspreise ausserhalb der Ballungsgebiete.

    Aus meiner Sicht gibt es multiple Methoden eine reale Deflation zu erzeugen. Aber keine ist wirklich analysiert aber man sollte das Thema nicht nur klassisch diskutieren.

  16. @Harry, „Mittels hoher nominaler Löhne kann ich den Export reduzieren und mittels Abgaben trotzdem den verfügbaren Nettolohn und die Nachfrage reduzieren.“ – Suchst du jetzt nach dem besten Rezept, ein Land möglichst schnell in den Ruin zu führen?

  17. Harry sagt

    Dies ist nur eine der möglichen Optionen. Was der wirtschaftliche Effekt sein wird, hängt aber davon ab, was ist der Wechselkurs und welcher Prozentsatz der Vorprodukte wird importiert.

    Ich dachte das Thema wäre Deflation. Deflation ruiniert immer die Wirtschaft oder sehe ich etwas falsch.

    Meine Aussage ist, Deflation hat nicht nur mit fallenden Preisen oder Lohnstückkosten zu tun. Alternativ kann eine Deflation auch über fallende „verfügbare“ Nettoeinkommen/Nachfrage induziert werden.
    Genaugenommen wird Inflation bzw Deflation aus meiner Sicht durch den Quotient zwischen Produktionskosten und Nachfrage beschrieben:

    Menge*Stückkosten (Lohnstückkosten + Netto Produktkosten) /Umsatz („Nachfrage“) .

    Dieser Quotient ist eine Funktion von verfügbaren Einkommen, Importanteil der Vorprodukte, Produktivität, des Wechselkurses nur um einige zu benennen. Deflation wenn der Quotient deutlich größer 1 wird und Inflation bei deutlich unter 1.

  18. Nun ist Deflation aber nicht das Ziel, sondern nur ein Mittel und wie ich betone, ein gefährliches Mittel. Das eigentliche Ziel ist die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft.

  19. Pingback: Die EZB und das Deflationsgespenst | Wirtschaftswurm

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