Wirtschaftswurm-Blog

Wie man die Krise in den Griff bekommt – die Sicht eines Bankvolkswirts

Die Rede des Chefvolkswirts der Deutschen Bank Thomas Mayers auf der Konferenz „Ökonomie neu denken“ in Frankfurt beinhaltete mehr als die Klage über fehlendes Vertrauen.

Wenn der Chefvolkswirt der Deutschen Bank spricht, darf man schon kritisch sein. So hat auch der Blogger Wirtschaftsphilosoph alles Recht, die Rede Thomas Mayers auf dem Kongress „Ökonomie neu denken“ letzte Woche in Frankfurt zu kritisieren.

Wenn man allerdings eine Rede kritisiert, sollte man sie auch vollständig gehört haben, entweder live oder (das Internet macht es möglich) den Audio-Mitschnitt. Der Wirtschaftsphilosoph stützt seine Kritik jedoch lediglich auf einen Handelsblattartikel über Thomas Mayers Rede. Das ist schade, denn ein Zeitungsartikel muss natürlich stark vereinfachen und verkürzen.

Anders als der Wirtschaftsphilosoph unterstellt, hat Thomas Mayer nicht einfach verloren gegangenes Vertrauen als Ursache der Finanzkrise ausgemacht. Stattdessen hat er zwei heterodoxe Theorien vorgestellt, die auf die Finanzkrise gut anwendbar sind. Zum einen die Krisentheorie von Hyman Minsky, zum anderen die Konjunkturtheorie der österreichischen Schule.

Minsky erklärt in seiner Theorie Spekulationsblasen. Sie entstehen, wenn etwa Immobilienkredite nur noch in der Hoffnung auf zukünftige Wertsteigerungen der Immobilie vergeben werden. Und sie platzen, wenn sich diese Hoffnung nicht mehr erfüllt. Die „Österreicher“andererseits, insbesondere Friedrich August von Hayek, beschreiben, wie im Boom volkswirtschaftlich unrentable Investitionen vorgenommen werden, weil ihre Finanzierung dank niedriger Zinsen zu einfach ist.

Schwieriger tat sich dann Mayer in der Tat bei den Lösungsvorschlägen. Folgt man von Hayek, kommt man kaum darum herum, die im Boom getätigten „Überinvestitionen“ wieder zu liquidieren. Das bedeutet im Endeffekt Firmenpleiten und Massenentlassungen. Mayer verweist jedoch – meiner Meinung nach zurecht – darauf, dass dies in einen nicht endenden Teufelskreis münden kann. Hier sind wir dann bei den keynesianischen Multiplikatoreffekten, in diesem Fall dem negativen Multiplikator.

Vor dem Hintergrund seiner Analyse ist Thomas Mayers Forderung nach mehr Vertrauen nicht mehr ein Allgemeinplatz, wie der Blogger Wirtschaftsphilosoph unterstellt.  Zudem beließ es Thomas Mayer nicht dabei. Er sah die Rekapitalisierung der Banken als einen Schlüssel zu mehr Vertrauen an. Und auch wenn man unterstellen darf, dass Thomas Mayer nicht seine eigene, die Deutsche Bank, meint, sondern die Konkurrenz, so erscheint das bemerkenswert für einen Bankvolkswirt.


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6 Kommentare

  1. Explizit habe ich nicht die Rede, sondern die Ausführungen im Handelsblatt kritisiert. Wenn Herr Mayer das gar nicht so gesagt hat, dann spricht das für ihn und gegen das Handelsblatt.

  2. Pingback: Kleine Presseschau vom 1. Februar 2012 | Die Börsenblogger

  3. Hallo,

    Die Blasen werden ja n.m.E. gezielt angeheizt, weil wir dringend „freiwillige Verschuldung“ brauchen – also müssen wir nicht gegen die Blasen vorgehen, sondern den Grund, warum wir unbedingt neue Schulden brauchen? Würde mich über gern auch kritische Kommentierung des doch recht neuartigen Lösungsansatzes sehr freuen:

    http://www.global-change-2009.com/blog/ein-grundlegender-losungsansatz-fur-die-systemkrise-%E2%80%93-notenbanken-werden-zur-%E2%80%9Emonetative%E2%80%9C/2012/01/

  4. Wirtschaftswurm sagt

    Dass Blasen von politischer Seite und von Seiten der Wirtschaft teilweise gewollt waren, dem stimme ich zu. Das amerikanische Leistungsbilanzdefizit ließ sich nur finanzieren, indem man durch eine Immobilienblase Geld von auswärts anlockte.

  5. Michael Thuma sagt

    Danke für den Link – Der Thomas Mayer fasst meine Erkenntnisse zusammen. Die Antwort denke ich wird man so nicht finden.

    Austrians. Ich liebe die Austrians für ihr Konzept des Lückenfüllens in der Realwirtschaft bei konstanter Geldmenge, aber dann ist die Weisheit meiner Empfindung nach an sich schnell am Ende. Ein Zugang der eher der zugrunde liegenden Orientierung am Vermögen geschuldet ist und deren Sicherung mittels Geldsystem, das eine beliebige Ausweitung der Geldmenge über die endliche Verfügbarkeit des Underlying deckelt – war mein Eindruck nach Durchsicht der Materialen des Miser Instituts.

    Funktioniert möglw. für Österreich, sprich Metropolen, 5 bis 15 Mio. Einwohner in einem eng gekoppelten Wirtschaftsraum der über die Unternehmensgröße von Mittelständern nicht hinausgeht – überschaubar – sprich U.S., die koppeln in Ergänzung die Metropolen hierarchisch. Das ist nicht falsch, möchte aber wissen wie das Konzept auf Deutschland und Europa angewandt werden kann.

    Es soll sich einmal jeder für sich durchdenken was Austrians auf Realwirtschaftsebene in der Praxis heißt heute, selbst wenn man alle ‚liberalen‘ Ideen, wie Privatisierung von Straßen und ähnlichen verwirft.

    Innovation heißt auch ein Herbeiführen einen rational ersonnenen bedarfsminimalen Kaufentscheidung durch Wegfallen der bedarfsgerechteren Alternative, sprich dem Vorgänger. Über 50 Jahre entstehen – Produkte die die Welt nicht braucht. Touch and Gesture fähiger Spiegelschrank im Bad, … Wir haben schon viele Produkte die allein durch massive Manipulation können vertrieben werden vermutlich 200%.

    Top Down Ansätze versagen an Leaky Abstractions, oops das haben wir übersehen. Austrians gehen eher von einem breiten Angebot bezüglich eines frei gewählten individuell Minimalen Bedarf aus. Das ist auch meine Linie, aber ich bin Konsumverweigerer und Bedarfsminimalist im Privatbereich. Das ist nicht jedermanns Sache, kann aber bald wieder Mode machen auf der ganzen Linie.

    Der aktuell gewählte Zugang in der ganz modernen Volkswirtschaft versagt vermutlich an der Leaky Abstraction – Gerechte Gleichgewichtspreisbildung im freien Markt. Ich nehme an aufgrund der Komplexität der Modelle ist das eine zu stark vereinfachende aber notwendige Grundannahme.

    Ich bin Hobbyist in Volkswirtschaft. Wissend bin ich nicht. Aber mit dem Geldsystem und dem Nachlaufen der Realwirtschaft innerhalb dieser sich ständig kürzenden Innovationszyklen und Vertrieb über ‚Manipulation‘ erreichen wir ehest die Grenzen. Das wäre mein Bauchgefühl.

    Ein weiterer Punkt ist die systematische Talentvergeudung in einem industrialisierten Wirtschaftsraum über Rollen und Qualifikation anstatt sich an Talenten zu orientieren. Der Begriff des Generalisten in spezialisierten vertikal ausgerichteten Organisationen führt weg von Kombi Techniker mit Wirtschaftskompetenz (Ursprung des MBA) hin zu das Mädchen für alles in der Profession. Der Begriff Unternehmensbewohner in der Industrie ein weiteres Beispiel – heute ist das ein Schimpfwort für Menschen die ein ähnliches Sozialisierungsverhalten wie 50% der Bevölkerung zeigen. (ähnlich bei Visitor und Inhabitans in Social Media Netzwerken). Punkte gibt es deren viele.

    All dies kann ein Top Down Modell nicht berücksichtigen, insbesondere wenn das Augenmerk auf der Finanzierung einer höchst spannenden Aufgabe, des Wachstums über den Zins und Zins hinaus liegt. Meiner Ansicht nach sitzen wir in der größten Blase der Menschheitsgeschichte. Wir sitzen in einer Kulturblase.

    Auch Österreich hatte ein Blase, den Silberbergbau in Schwaz in Tirol. Die ging zwar ganz langsam aus, respektive Platzte aus dem selben Gründen mit denen der Tulpen Hype begann. Ein quasi Monopol ging zu Ende in Schwaz. Silber ist aber ein gefragtes Material.

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